Einiges Wissenswerte und Unterhaltsame rund um die Klarinette habe ich hier zusammengestellt. Wer schon viel weiß, kann unten sein Wissen überprüfen.
qurma / argul. Ägypten. Ethnologisches Museum Berlin
Klarinette in C von Jacob Denner, Nürnberg. Buchsbaum, 2 Klappen, zwischen 1707 und 1735. Musikinstrumenten-Museum Berlin SIMPK
Klarinette in A von Grenser & Wiesner, Dresden. Buchsbaum, 11 Klappen, um 1820. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Clarinette omnitonique. B-Klarinette nach Iwan Müller, Buchsbaum mit Elfenbeinringen. 13 Klappen, um 1820. Sammlung Christian Ledermann
B-Klarinette von Oskar Adler, Markneukirchen, gespiegeltes Oehler-System für Linkshänder, Grenadill, 20 Klappen, um 1930. Sammlung Christian Ledermann
Die Klarinette gehört zur Gruppe der Holzblasinstrumente. Der Ton wird von einem einfachen Rohrblatt erzeugt, das die Luftsäule im zylindrisch gebohrten Korpus zum Schwingen bringt. Die Besonderheit bei der Klarinette ist ihr geschlossener Klangkörper (entsprechend der gedackten" Orgelpfeife): Die mit dem Klarinettenblatt erzeugten Luftdruckwellen laufen durch das Zylinderrohr, machen beim konisch geformten Schallbecher einen Phasenwechsel durch und laufen als Unterdruck zurück. Nur ein Viertel der so erzeugten stehenden Welle schwingt im Rohr selbst, was dafür sorgt, dass die Klarinette trotz gleicher Länge eine ganze Oktave (8 Töne) tiefer klingt als eine Querflöte. Anders als Flöten und Saxophone überbläst die Klarinette zudem nicht in die Oktave, sondern in die Duodezime (12 Töne), wodurch sie einen Tonumfang von viereinhalb Oktaven erreicht.
Die (deutsche) Klarinette hat heute üblicherweise 20 bis 27 Klappen. Der Korpus war früher aus Buchsbaum, heute wird meist das robuste Grenadill verwendet, das der Klarinette die charakteristische schwarze Farbe verleiht. Klarinetten gibt es auch aus Metall und Kunststoff.
Am meisten verbreitet ist die B-Klarinette, daneben werden aber auch Klarinetten in Es-, A-, C- und G-Stimmung verwendet. Die Klarinettenfamilie reicht von der kleinen Es-Klarinette über Alt- und Bassklarinetten bis zur Kontrabassklarinette. Zur Klarinettenfamilie gehören außerdem das Bassetthorn in F, die Bassettklarinette in A und das Bathyphon, eine Kontrabassklarinette. Dagegen wird das Tárogató, da es in die Oktave überbläst, den Saxophonen zugeordnet.
Die Tonerzeugung der Klarinette war schon im Altertum bekannt. Antike Klarinetten sahen ähnlich aus wie die noch heute im arabischen Raum verbreitete Argul. In der Renaissance war das Chalumeau als Hirteninstrument sehr beliebt.
Die Klarinette selbst wurde wohl 1690 von Johann Christoph Denner, einem Nürnberger "Wildruf- und Horndreher", erfunden. Den Namen erhielt sie von ihrem hohen Register, das dem der Clarin-Trompete ähnlich ist. Um 1750 hatte die Klarinette drei Klappen und wurde vielseitig einsetzbar. In Barock und Klassik wurden neben den heute gebräuchlichen Stimmungen auch Klarinetten in D und H gebaut. Eine Klarinette, die alle Tonarten spielen konnte, die Clarinette omnitonique, wurde aber erst 1812 von Iwan Müller entwickelt. Dieses Instrument ist, mit zahlreichen Ergänzungen u.a. von Albert und Oehler, noch heute Grundlage der deutschen Klarinette, während 1844 Hyacinthe Klosé die sog. Böhm-Klarinette einführte, die heute weltweit am meisten gespielt wird.
Die Klarinette ist Soloinstrument und Teil des klassischen Orchesters, des Blasorchesters sowie unterschiedlicher Kammermusikensemble.
Schon Antonio Vivaldi und Georg Philipp Telemann schrieben Musik für die Klarinette, um 1755 gelangte sie von Paris nach Mannheim und wurde zum beliebten Orchesterinstrument der Klassik. Mozart komponierte die ersten Evergreens für die Klarinette. In der Romantik entstanden grandiose Werke für Klarinette etwa von Felix Mendelssohn, Carl Maria von Weber, Robert Schumann und Johannes Brahms, in der Moderne von Francis Poulenc und Darius Milhaud. Ihre Werke sind durch Aufnahmen und Konzerte so brillanter Interpreten wie Sabine Meyer, Sharon Kam oder Martin Fröst weithin bekannt.
Seit Benny Goodman ist sie aus der Swing- und Jazzmusik nicht mehr wegzudenken. In der jüdischen Klezmermusik (Giora Feidman), aber auch in der alpenländischen, osteuropäischen, griechischen und orientalischen Volksmusik und der Weltmusik, in der sich viele Stile mischen, ist die Klarinette weit verbreitet. Häufig erklingt sie in der Filmmusik und sorgt für eine fröhliche oder melancholische Stimmung.
Die Herstellung einer Klarinette erfordert eine Vielzahl von Produktionsschritten in der Holz-, Metall- und Kunststoffverarbeitung. Die meisten Klarinetten werden heute industriell hergestellt, wobei die Arbeitsschritte so aufgeteilt werden, dass sie von Maschinen oder angelernten Kräften durchgeführt werden können. Die zeitaufwendige Montage der komplizierten Klappenmechanik blieb in der Hand der Instrumentenbauer. Die Ausbildung zum Holzblasinstrumentenmacher in einem Meisterbetrieb dauert drei Jahre. Daneben gibt es nur eine Handvoll Betriebe in Deutschland, in denen auch die Arbeiten bis zum Holzkorpus noch aus einer Hand kommen. Einen guten Einblick bieten kurzen Videos von Schwenk & Seggelke und von Buffet Crampon.
Schon wenige Jahre nach der Erfindung des Instruments gibt es eine erste literarische Schilderung des Klarinettentons:
»Wann der Trompeten-Schall will allzulaut erthönen,
so dient das Clarinet auf angenehme weiß
es darff den hohen Thon auch niedern nicht entlehnen
und wechselt lieblich um: Ihm bleibt hierdurch der preiß.
daraum manch Edler Geist, dem dieses werck beliebet
Sich Lehr-begierig zeigt und embsig darinn übet.«
Johann Christoph Weigel, Musicalisches Theatrum, Nürnberg um
1720
Anfangs waren die klanglichen Möglichkeiten der Klarinette offenbar sehr beschränkt:
»Le Clarinet (...) a en récomponse l'avantage d'être gai sonore, de faire très-bien dans les Concerts mêlé avec les Cors-de-Chasse. Il est rare qu'il réussisse seul à cause de la dureté du son qu'il est difficile d'adoucir.«
»Die Klarinette (...) hat den lohnenden Vorteil, fröhlich und klangvoll zu sein und sich gut mit den Jagdhörnern im Zusammenspiel zu mischen. Selten glückt es, wenn sie alleine spielt, denn ihr Ton ist hart und lässt sich schwer mildern.«
François Alexandre Pierre de Garsault, Notionnaire, ou Mémorial raisonné, Paris 1761
(Übersetzung: Heike Fricke)
Bald danach wird die Klarinette weiterentwickelt, und der Eindruck von ihrem Klang ändert sich erheblich. Ein Bericht von 1787:
»Clarinett. (...) Der Charakter desselben ist: in Liebe zerflossenes Gefühl, - so ganz der Ton des empfindenden Herzens. Wer das Clarinett (...) spielt, scheint an das ganze menschliche Geschlecht eine Liebeserklärung zu thun. Der Umfang des Instruments ist eben nicht groß; was aber in seinem Gebiethe liegt, drückt es mit unbeschreiblicher Anmuth aus. Der Ton ist so süß, so hinschmachtend; und wer die Mitteltinten [Zwischentöne] darauf auszudrücken vermag, darf seines Siegs über die Herzen gewiß sein. (...) Wer Ohr für die Tonkunst hat, und ein gefühlvolles Herz, der kann dieß Instrument leicht lernen.«
Christoph Friedrich Daniel Schubart,
Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, Wien 1806
Johann Elias Ridinger,
Das mit durchdringender annehmlichkeit ergözende Clarinet,
Schabkunstblatt, um 1750
(Quelle: G. Grünsteudel)
Schließlich lässt sich der Ton der Klarinette nur noch mit der Vox humana vergleichen:
»Von allen Instrumenten ist es die Klarinette, die am meisten Ähnlichkeit mit der Stimme hat. Man muss den Schülern beibringen, dass die vorrangigste Eigenschaft dieses Instruments das Singen ist.«
Bernard Sarrette, in:
Jean-Xavier Lefèvre, Méthode de clarinette, Paris 1802
(Übersetzung: Heike Fricke)
Oder etwas ausführlicher:
»Was aber ist ein schöner Ton? Schön ist der Ton, wenn er einen vollen vibrierenden metallartigen hellen Klang hat, und in allen Nuancen und Lagen denselben Charakter behält, bei grösster Kraft seine Schönheit nicht verliert und keinen schneidenden Eindruck hinterlässt, dann so ausdrucks- und bildungsfähig ist, dass derselbe in den zartesten Stellen sich leicht und bindend bei allen Tönen behandeln lässt, mit einem Wort einer vorzüglich schönen vollen Sopran-Stimme ähnlich ist.«
Carl Baermann, Vollständige Clarinett-Schule,
Band 1, Offenbach 1864
Klarinettist und Hornist, Keramikmuseum Caltagirone
Durch seine Ähnlichkeit mit der menschlichen Stimme hat der Klarinettenton immer schon etwas Spirituelles:
»Tief in meiner Seele wohnt die Musik, die mein Atem durch die Klarinette in den Raum hineinströmen lässt. Die Klarinette ist die Stimme, die die Gefühle aus meinem Innersten nach außen trägt. Und so entsteht aus dem Blick nach innen, hinter meinen geschlossenen Augen, das Paradox meines Musikerlebens: eine offene Seele.«
Giora Feidman,
Der Klang der Hoffnung, Paderborn 2021
Klarinette spielen ist ganz einfach und macht Spass:
»Develop your tone,
develop you technique,
and then play Mozart and/or jazz.«
George Draper,
Introduction to the clarinet, Oxford 1962
»After you’ve done all the work and prepared as much as you can, what the hell, you might as well go out and have a good time.«
Benny Goodman,
The Kingdom of Swing, 1939
Im Gegensatz zu den meisten bildenden Künsten ist die Musik vergänglich. Wenn der letzte Ton eines Musikstückes verklungen ist, gibt es nur die Erinnerung derer, die ihn gehört haben. Anders gesagt: Die Musik lebt ausschließlich in der Gegenwart. Deshalb ist das Liveerlebnis in einem Konzert so einmalig. Die Musiker, aber auch Künstler und Publikum finden sich zusammen, um mit der Musik den Zauber des Augenblicks zu zelebrieren. Dieser Augenblick ist jederzeit erlebbar, sofern man eine Klarinette zur Hand hat!
Den Klarinettenton erlebt man daher am besten bei einem Livekonzert. Meine eigenen persönlichen Erinnerungen an Livekonzerte mit herausragenden Interpreten habe ich hier niedergeschrieben.
Spazierstock-Klarinette, Buchsbaum, um 1850. MIM der University of Edinburgh
Clarinetto d'amore, Tuerl, Mechelen. Buchsbaum, um 1800. MIM Brüssel
Altklarinette von Tuerl, Mechelen, um 1800. MIM Brüssel
Bassetthorn in F von Jakob Friedrich Grundmann, Dresden. Buchsbaum, 1787. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Bassettklarinette in A von Strobach, Karlsbad. Buchbaum, um 1800. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Bassklarinette von Nicola Papalini, Chiaravalle, um 1801/1825. MIM Brüssel
Emmanuel Noterman (1808-1863), Musizierende Affen (Quelle: Wikimedia Commons)
Haben Sie Ihre Antworten notiert? Dann schlagen Sie hier die Lösung nach.
Klarinette im Giorgi-Schaffner-System, von Pupo Pupeschi, Florenz. Grenadill, einteilig, um 1900. MIM Brüssel
Viertelton-Doppelklarinette von Fritz Schüller, Markneukirchen. Grenadill, 42 Klappen, um 1932. MIM Markneukirchen (Foto: F. Fickelscherer, via Wikimedia Commons).
© Harald Maihold, Stand: 18.12.2024.
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